Verunsicherung

Manchmal fällt es schwer in unsicheren Zeiten nach vorne zu schauen. Mich beschäftigen derzeit viele Dinge… Zum Einen ist meine eigene Zukunft ungewiss. Woran ich natürlich hauptsächlich selbst schuld bin, das ist mir klar. Ich habe mein Studium oft viel zu sehr vernachlässigt, zu viel gearbeitet und all meine Kraft in meinen Job investiert. Das ist aus mehreren Gründen so gelaufen. Ich arbeite sehr gerne bei meinem Arbeitgeber, es ist mein zweites Heim. Außerdem bin ich auf das Geld angewiesen, da ich kein Bafög bekomme und mich komplett selbst finanzieren muss. So entsteht die Angst und der selbst gemachte Druck sich immer bestmöglich einzubringen, bloß alles richtig und ja keine Fehler zu machen, gar Angriffsfläche zu bieten, um den geliebten und benötigten Job nicht zu verlieren. Das macht abhängig und man bleibt öfter mal länger. Die Uni hat darunter viel zu lange gelitten. Das möchte ich zukünftig ändern, aber wie weiß ich natürlich noch nicht. Mein Vertrag endet demnächst und nach mehr als zehn Jahren werde ich mir wohl etwas anderes suchen müssen. Das verunsichert mich sehr und Bewerbungen schreiben und mich dabei selbst verkaufen, ist nun so gar nicht mein Ding. Es als Chance zu sehen wie meine Mutter gerne sagt, fällt mir äußerst schwer, weil die Angst zu versagen, sowohl im Studium als auch in meiner Aufgabe meinen Lebensunterhalt eigenständig zu bestreiten,  alles überlagert.

Hinzu kommt die derzeitige Weltsituation. Da ist ein C Promi, der in einer Reality Show Bekanntheitsgrad errungen hat, Frauen verachtet und Menschen anderer Hautfarbe mit Vorurteilen und Hass begegnet. Und dieser Mann ist nun also der mächtigste Mann der Welt. Ein Mann, der von Ernie aus der Sesamstraße mit seinem Selbstbräuner gefärbten Teint nicht sonderlich weit entfernt ist und seine Hände auf Bildern größer machen lässt (Thank god, dass es Photoshop gibt!). So schafft man also alternative facts.

Außerdem beschäftigt mich eine Begegnung, die ich in dieser Woche mit mehreren syrischen Flüchtlingen hatte. Einer von ihnen erzählte mir, dass seine Frau und er aus einem kleinen Dorf im Norden Syriens über die Türkei und Griechenland weiter zu Fuß über die Balkanroute hier her geflohen seien. Sie erwarteten ein Baby, das sie allerdings auf dem Weg während eines Bombenangriffs noch an der syrisch-türkischen Grenze verloren hätten. Nun seien sie froh hier in Deutschland angekommen zu sein und sich in Sicherheit zu befinden. Sie hätten schließlich sich. Das sei das Wichtigste. Und hoffentlich würden sie bald die Möglichkeit haben es noch einmal mit einem Kind zu versuchen. Sie seien sehr dankbar für alles, was sie hier bekämen (später erzählte er, dass sie mit zehn weiteren Leuten in einem Container wohnen, getrennt durch Pinnwände, die wir in der Uni gerne in Seminaren nutzen). Ich habe ihn nach der Flucht gefragt und wo der Rest seiner Familie sei. Er antwortete mir, dass er das nicht wisse. Es gäbe derzeit keine Möglichkeit Kontakt mit seinen Eltern und Geschwistern aufzunehmen, da sie in Syrien zurück geblieben seien. Über die Flucht hat er mir viele sehr erschreckende Dinge erzählt.

Dann ist da der heutige Holocaust Gedenktag, der mich dazu veranlasst hat auf den jüdischen Friedhof meiner Stadt zu gehen und ein paar weiße Rosen niederzulegen und eine Kerze vorbei zu bringen. Es mag komisch klingen, aber ich habe es für nötig gehalten. Wenn ich Leute von der Afd höre, empfinde ich Scham und große Ernüchterung, dass solche Worte wie „Denkmal der Schande“ derzeit offenbar wieder „geduldet“ sind. Ich finde diesen Tag einen unerträglich traurigen Tag und fand es sehr beeindruckend zu hören, dass Björn Höcke heute in der KZ Gedenkstätte Buchenwald Hausverbot erteilt wurde. Ich frage mich was ein solcher Populist überhaupt dort möchte. Es ist reine Provokation und ich hoffe inständig, dass sich meine Befürchtungen nicht bestätigen und wir keinen Rechtsruck erleben werden. Der Gedanke macht mir unheimliche Angst.

Gorbatschow sagte am heutigen Tage, dass die Welt sich offenbar auf einen neuen Krieg vorbereite. Es werden also wieder Mauern gebaut. Folter scheint auch eine Option zu sein.

Dagegen werden meine Probleme natürlich winzig. Gar lächerlich. Das treibt mich gerne in eine Gedankenspirale von Erniedrigung meiner Selbst. Wie wenig ich wert bin und dass ich mal wieder auf dem Boden der Tatsachen ankommen muss. Dass ich alles relativieren sollte… und weniger an mich denken müsste. Eine meiner größten Ängste ist es von anderen als egoistisch und ich-bezogen gesehen zu werden.

Ich hoffe in den nächsten Tagen wird mein „Weltschmerz“ und der Kummer über die Unsicherheit der eigenen Zukunft erträglicher und abnehmen. Ich gebe mein Bestes, um wieder halbwegs klar denken zu können. Wir werden sehen, ob mir das gelingt…